Friedens- und Sicherheitspolitik Online

Informations-Plattform zum tagespolitischen Colloquium am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

Samstag, November 05, 2005

Policy Empfehlungen zur deutschen und europäischen Iranpolitik

von Benjamin Steffen

Nach dem Scheitern der Vermittlungsversuche im Atomstreit muss die deutsche Außenpolitik in Bezug auf den Iran neu ausgerichtet werden. Sie sollte zukünftig mehr von ihren eigenen Interessen geleitet sein und mehr Verständnis für die iranischen Sicherheitsbedenken aufbringen. Nur so kann aus einem Nullensummenspiel der sicherheitspolitischen Eskalation, ein positives Summenspiel werden, indem alle Akteure von einem Mehr an Sicherheit und wirtschaftlicher Wertschöpfung profitieren.

Das iranische Sicherheitsrisiko
Seit den Interventionen in Afghanistan und im Irak sieht sich der Iran von US- gestützten Regimen umkreist. Der amerikanische Präsident George W. Bush hat wiederholt den Iran zu seiner so genannten „Achse des Bösen“ gezählt. Eine konfrontativere amerikanische Politik in Bezug auf Iran erfolgt zurzeit nur deshalb nicht, weil die amerikanische Regierung innenpolitisch aufgrund von Affären und wegen der wachsenden Opferzahlen im Irak unter Druck steht. Öffentlich hat die gegenwärtige amerikanische Administration nie eine klare Strategie für den Iran verfolgt. Zwar wurden einerseits die europäischen Vermittlungsversuche im Atomstreit unterstützt, doch wurde sich andererseits nie klar gegen die Option eines Regimewandels ausgesprochen.
Die iranische Regierung muss deshalb aus realistischer Perspektive zu dem Schluss kommen, dass der Besitz der Atombombe und geeigneter Trägersysteme die einzigen wirksamen Garantien gegen eine US-amerikanische Intervention sind. Die Europäer sollten deshalb die US-amerikanische Regierung in einem ersten Schritt zur Abgabe einer Sicherheitsgarantie für den Iran bewegen.

Die deutschen Interessen
In einem zweiten Schritt sollte auf die zivile Komponente des iranischen Atomprogramms eingegangen werden. Zwar besitzt der Iran riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen, doch fehlen ihm die technologischen Kapazitäten, um diese Vorkommen effizient fördern zu können. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf der schnell wachsenden iranischen Bevölkerung stetig.
Deutschland widerrum leidet unter dem hohen Niveau des Rohölpreises auf den Rohstoffmärkten und unter der Abhängigkeit von politisch instabilen Exploitations- Staaten. Gleichzeitig ist der iranische Markt mit seiner jungen, akademisch gut ausgebildeten Bevölkerung, sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktionsstätte für die deutsche Exportindustrie interessant. Durch eine radikale Ausweitung des Handelsvolumens kann möglichen innen- und außenpolitischen Gründen für eine Radikalisierung des iranischen Regimes entgegengewirkt werden.

Kooperationsmöglichkeiten in Afghanistan

Die politikwissenschaftliche Forschung hat ergeben, dass multilaterale Kooperationsregime positiv auf das Konfliktverhalten beteiligter Staaten wirken. Der Fall Afghanistan bietet die Möglichkeit diese Erkenntnis für die Beziehungen zum Iran nutzbar zu machen.
Der Iran leidet schon seit längerem unter den instabilen Verhältnissen in Afghanistan. Einerseits durch 2 Millionen Flüchtlinge, die sich bereits in Iran aufhalten. Andererseits durch den Drogenschmuggel, der zu einem veritablen Drogenproblem der iranischen Gesellschaft geführt hat. Allerdings ist der Iran ethnisch, kulturell und linguistisch mit den Stammesgebieten im Westen Afghanistans eng verbunden und hat daher theoretisch die Möglichkeit Einfluss auf die dortigen „Warlords“ auszuüben. Es bietet sich daher an, den Iran auch institutionell an der Stabilisierung Afghanistans zu beteiligen. Es könnte ein Sicherheitsrat für Westafghanistan gegründet werden, indem der Iran gleichberechtigt an der Steuerung des afghanischen Stabilisierungsprozesses teilnimmt. Der Iran würde so mit in die Verantwortung genommen und könnte durch seine Verbindungen zu den westafghanischen „Warlords“ zur Sicherheit der ausländischen Truppen ein Stück weit beitragen. Dafür würde er finanziell unterstützt und eine Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge eingeleitet.

Als Nebeneffekt wäre kurzfristig ein institutioneller Rahmen geschaffen worden, indem zukünftige Auseinandersetzungen diskutiert werden könnten. Langfristig würde eine solche Institution zum Verständnis der jeweils handlungsleitenden Normen, Werte und innenpolitischen Probleme der Beteiligten Staaten beitragen.