Friedens- und Sicherheitspolitik Online

Informations-Plattform zum tagespolitischen Colloquium am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

Samstag, November 05, 2005

Der Kaschmirkonflikt nach dem Beben

Der Kaschmirkonflikt hat seine Wurzeln in der Aufteilung Britisch-Indiens und im daran anschliessenden ersten indisch-pakistanischen Krieg (1947-1949) über den politischen Status der Region. Während dann im Süden der indische Bundesstaat Jammu & Kashmir entstand, stehen Azad Kashmir und die Northern Areas seither unter pakistanischer Verwaltung. Die Grenzlinie zwischen dem pakistanischen und indischen Teil bildet eine Waffenstillstandslinie („Line of Control“) von etwa 500 km Länge. Der indische Teil macht Zweidrittel der Fläche Kaschmirs aus und ist vorwiegend hinduistisch geprägt, wohingegen der pakistanische Teil eine muslimische Bevölkerungmehrheit aufweist.
Indirekt in den Konflikt verwickelt ist die VR China. Sie bildet einen Verbündeten für Pakistan. So tauschte Pakistan 1963 einen schmalen Himalaya-Streifen gegen chinesische Hilfe beim Bau einer wichtigen Verkehrsader (Karakorum Highways).
Ein eigenständiges Kaschmir lehnen die Konfliktparteien ab. Pakistan strebt danach, alle Muslime in einem pakistanischen Staat zu vereinen und die Bergflüsse für die Bewässerung der pakistanischen Ebene ökonomisch zu nutzen. Indien fürchtet, die Loslösung eines Bundesstaates könnte einen Dominoeffekt auslösen und will sich zudem die strategisch wichtigen Verkehrswege in den Himalaya erhalten.

Das Erdbeben in Kaschmir vom 8. Oktober 2005, bei dem mindestens 73.000 Menschen getötet worden sind und über drei Millionen Obdachlose zu beklagen sind, löste gesteigerte Erwartungen einer baldigen Annäherung zwischen den Konfliktparteien aus. In der deutschen und englischsprachigen Presse wurde eine Bewegung im Kaschmir-Konflikt regelrecht herbeigeschrieben unter Überschriften wie „Indien und Pakistan rücken zusammen“. Mittlerweile zeigt sich, dass die Akteure diese Chance, soweit sie überhaupt gegeben war, nicht nutzten/nutzen. Die Titel lauten nun: „Indien und Pakistan verpassten die Chance für vertrauensbildende Maßnahmen“. Faktisch folgt der Naturkatastrophe nun auch das nächste Desaster: Angesichts fehlender Hilfsgelder und des bevorstehenden Winters drohen die notwendigen Hilfsmaßnahmen der internationalen Gebergemeinschaft eingestellt zu werden. Deutlich wird hier, dass die internationale humanitäre Hilfe angesichts der ohnehin hohen Anzahl von Naturkatastrophen und des hohen Aufwands für multinationale Friedenseinsätze in den Krisengebieten der Gegenwart an ihre Grenzen stößt. Gleichzeitig haben islamistische Rebellengruppen kein Interesse an der internationalen Hilfe und der Öffnung der Waffenstillstandslinie, weil sie dadurch ihre eigene Position bedroht sehen.

Fragen zum Colloquium:
Wie viel „Vertrauen“ ist angesichts des Gleichgewichts des Schreckens zwischen Indien und Pakistan möglich?
Was steht für die Konfliktparteien auf dem Spiel, wenn sie gegenseitige Hilfe nach dem Erdbeben zulassen (etwa durch die Öffnung der Waffenstillstandslinie)?

Zur Einführung:
International Crisis Group


Friedensratschlag Uni Kassel


AKUF



News Links:
Neue Zürcher Zeitung


ISN Security Watch


Irinnews


FAZ Spezial


tagesschau.de Dossier


Deutsche Welle


Karte der Erdbebenregion




bearbeitet von Anja Mößner und Sven Chojnacki