Friedens- und Sicherheitspolitik Online

Informations-Plattform zum tagespolitischen Colloquium am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

Samstag, November 12, 2005

Wilder Westen im Nahen Osten?

Alte Probleme und neue Perspektiven im Konflikt zwischen Israel und Palästina

Entwicklung des Konflikts - Überblick
Während man über die Ursprünge des israelisch-palästinensischen Konflikts unterschiedlicher Ansicht seien kann, so gehen die aktuellen Konfliktlagen maßgeblich auf den Krieg von 1948, in dem große Teile der palästinensischen Bevölkerung aus dem heutigen Gebiet Israels vertrieben wurden, und auf den Sechstagekrieg von 1967 zurück, in dem Israel die seit 1948 von Jordanien respektive Ägypten besetzte Westbank und Ostjerusalem sowie den Gazastreifen besetzte (die ebenfalls besetzte Sinai-Halbinsel wurde 1979 im Zuge eines Friedensvertrages an Ägypten zurückgegeben, die syrischen Golanhöhen sind bis heute unter israelischer Kontrolle). Die Besetzung der Gebiete führte 1987 zur ersten palästinensischen Intifada, der Israel trotz militärischer Überlegenheit nicht Herr werden konnte. Als zudem die arabischen Golfstaaten infolge der palästinensischen Unterstützung für den Irak im Golfkrieg 1991 der PLO ihre Unterstützung entzogen, wurden Verhandlungen möglich. Diese mündeten 1993 im „Oslo-Prozess“, der mit der Einführung der Palästinensischen Autonomiebehörde und dem schrittweisen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten den Weg für einen unabhängigen palästinensischen Staat ebnen sollte. Die Ermordung des israelischen Premierministers Rabin 1995, die Zunahme von Selbstmordattentaten militanter palästinensischer Gruppen und die folgende Wahl des Oslo-Gegners Benjamin Netanjahu zum israelischen Premierminister brachten den Friedensprozess in Stocken. Die seit 1999 amtierende Regierung Barak zog die israelischen Truppen aus dem seit 1982 besetzten Südlibanon ab, konnte jedoch im Friedensprozess mit den Palästinensern keine Erfolge vorweisen. Als die Gespräche von Camp David 2000 scheiterten, entlud sich die Frustration der Palästinenser in der so genannten Zweiten Intifada. Der Hardliner Ariel Sharon gewann 2001 die vorgezogenen Neuwahlen in Israel und setzte fortan auf eine rein militärische Strategie, die unter anderem zur zeitweisen Wiederbesetzung geräumter Gebiete in der Westbank und zur Errichtung eines Trennwalls führten. Erst 2003 lagen mit der von den USA vorgelegten „Road-Map“, einer saudischen Initiative und dem Plan der „Genfer Initiative“ aus dem israelischen und palästinensischen Friedenslager wieder Friedenspläne auf dem Tisch. Der unter Zugzwang stehende Sharon leitete angesichts der fortgesetzten palästinensischen Gewalt die „unilaterale Trennung“ ein, die einerseits die im Bau begriffene Mauer, andererseits den im Frühjahr 2004 angekündigten einseitigen Rückzug aus Gaza beinhaltete. Sowohl Israel wie auch die USA erkannten Arafat nicht mehr als legitimen Gesprächspartner an. An seiner Strategie hielt Sharon trotz des Todes Arafats im November 2004 und der Wahl des moderaten Mahmud Abbas im Januar 2005 fest.

Die aktuellen Entwicklungen
Der Rückzug und die Evakuierung der Siedlungen in Gaza im August 2005 verliefen glimpflicher als erwartet, jedoch steht Sharon innenpolitisch unter massivem Druck. Einerseits findet er für seine Politik in seiner eigenen Partei –dem Likud- keine Mehrheit, andererseits wachsen die Differenzen mit der Arbeitspartei, die seine Politik im Rahmen einer großen Koalition bisher mitgetragen. Die Wahl des Linken Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei macht den Zerfall der Koalition und vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlich.

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat unterdessen mit der Übernahme der Regierungsgewalt im Gazastreifen zu kämpfen, was sich durch die Desintegration der Regierungspartei Fatah und des Sicherheitsapparats schwierig gestaltet. Der Vorlauf zu den anstehenden Parlamentswahlen im Januar 2006 ist vor allem von der Frage bestimmt, wie mit der Absicht der islamistischen Hamas, an den Wahlen teilzunehmen, umzugehen ist. Während Abbas den Willen der Hamas, sich in den politischen Prozess zu integrieren, begrüßt und dafür jüngst auch Rückendeckung aus den USA erhalten hat, droht Israel, die Wahlen im Falle einer Beteiligung der Hamas durch Schließung der Checkpoints zu sabotieren.

Mit der Ernennung Wolfensohns zum Sondergesandten des Nahost-Quartetts (USA, EU, UN und Russland), der Ankündigung einer Reise von US-Außenministerin Rice in die Region, den internationalen Bemühungen um eine schnelle Öffnung des Grenzpostens Rafah zwischen Gaza und Ägypten und Zusagen europäischer Wirtschaftshilfe ist wieder Bewegung in das internationale Engagement im Konflikt gekommen. Gleichzeitig hat Präsident Bush mit seiner Äußerung, er glaube nicht an eine Friedenslösung noch in seiner Amtszeit, Hoffnungen auf eine Umsetzung der Roadmap auf Eis gelegt.
Die Rolle der arabischen Nachbarn Israels ist ambivalent: Ägypten und Jordanien haben Friedensverträge mit Israel geschlossen, mit dem Abzug Israels aus dem Libanon ist ein weiterer Konflikt mit dem arabischen Umfeld entschärft. Auch wenn die Zukunft der Golanhöhen offen ist, so scheint ein weiterer Krieg zwischen Syrien und Israel unwahrscheinlich. Andererseits werden militante und islamistische Gruppen in Palästina weiterhin von arabischer Seite unterstützt und die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten haben zumindest auf rhetorischer Ebene das Klima wieder deutlich verschärft.


Fragen an das Colloquium:


1. Wie ist die unilateralistische Politik Sharons zu bewerten? Wo führt sie hin? Welche Alternativen scheinen möglich?
2. Scheitert der palästinensische Staat, noch bevor es ihn gibt? Ist die Beteiligung der Hamas an den Wahlen eher als Chance oder als Risiko für die inner-palästinensische Stabilität zu werten? Welche Maßnahmen seitens der USA und der EU wären nötig, um einen entstehenden palästinensischen Staat nicht von Vorneherein zum Problemfall werden zu lassen?
3. Generell: Ist die amerikanische „Roadmap to Peace“ überholt? Und: Welche Grenzen sind für eine Zwei-Staaten-Lösung überhaupt noch möglich?

Zur Einführung:
International Crisis Group


Friedensratschlag Uni Kassel


AKUF


Wikipedia: Überblick zu aller Arten Facetten des Konflikts


news, maps, timeline



News Links:
Neue Zürcher Zeitung Dossier


BBC


New York Times


CNN


Aljazeera


Haarezt - linksliberale israelische Tageszeitung


The Jerusalem Post


Globe and Mail


Arabic Media Internet Network


Guardian Special Report


Globe and Mail



Hintergründe

Nachrichten und Hintergründe aus palästinensischer Perspektive, Meinungsumfragen zu den Wahlen, zur Intifada, zu Selbstmordattentaten etc, praktisch alle relevanten Dokumente von UN Resolutionen über Friedenspläne (Geneva, Roadmap und alle anderen…) bis zur Charta der Hamas


Proposals for a Palestinian state


Disengagement Plan: Israeli Ministry of Foreign Affairs (official)


White House Documents


United Nations: Question of Palestine


MidEast Web: Final Status and Peace Plans for Israel and Palestine


palestinian elections


Map of Israeli Disengagement



bearbeitet von Sarah & Luke