Friedens- und Sicherheitspolitik Online

Informations-Plattform zum tagespolitischen Colloquium am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

Samstag, November 26, 2005

Somalia: The Worlds’s Largest Duty-Free Shop

Der Piraten-Überfall auf ein Kreuzfahrtschiff am Horn von Afrika hat für kurze Zeit einen vergessenen Konflikt wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt: den seit 1988 andauernden Konflikt in Somalia. Im Folgenden soll dieser Schleier des Vergessens ein wenig gelichtet und die Lage in Somalia eingehender analysiert werden. Schließlich war die Entwicklung, die Somalia zu Beginn der 1990er Jahre einschlug, gewissermaßen eine Blaupause für Entwicklungen in anderen afrikanischen Staaten.

Historischer Überblick
Mit Ausbruch des Bürgerkriegs gegen den autokratischen Herrscher Somalias Siad Barre im Jahr 1988 nahm ein Konflikt seinen Anfang, der mit der Vertreibung Barres 1991 kein Ende fand, sondern erst richtig an Fahrt aufnahm. Die im Kampf gegen Barre geeinten Fraktionen kämpften fortan gegeneinander – mit Mogadischu als Hauptschauplatz dieser Auseinandersetzungen. Als Folge der Kämpfe kam es unter anderem auch zu Hungernöten, die 1993 zur ersten humanitären Intervention in Somalia führten. Dieses Engagement wurde immer weiter intensiviert, bis es 1995 nach einer Spirale der Eskalation ein relativ abruptes Ende fand. Ab diesem Zeitpunkt war Somalia sich selbst überlassen und der Konflikt ging weiter. Bis zum jetzigen Zeitpunkt scheiterten 15 Friedenskonferenzen und es ist stark anzuzweifeln, ob die 16. Friedenskonferenz erfolgreicher sein wird.

Aktuelle Lage
Somalia ist heute ein vollständig zerfallener Staat, gekennzeichnet von Warlords, Clan-Milizen und einer vitalen Kriegsökonomie. Allerdings ist eine Charakterisierung Somalias als eines der „schwarzen Löcher der Ordnungslosigkeit“ (Joschka Fischer) keineswegs zutreffend. Schon recht bald haben sich in Somalia alternative Formen politischer Herrschaft herausgebildet. Im Nordwesten des Landes befindet sich mit Somaliland, ein Gebiet das sich bereits 1991 für unabhängig erklärt hat. Zwar ist Somaliland international nicht anerkannt, nichtsdestotrotz haben sich stabile politische Strukturen nach demokratischem Vorbild etabliert. Im Nordosten, angrenzend an Somaliland, befindet sich Puntland – eine selbsterklärte autonome Region. Hier existieren ebenfalls relativ stabile, wenn auch autoritäre, Strukturen. Zentral- und Süd-Somalia ist gekennzeichnet von sporadischen Kämpfen, fehlender Regierungsgewalt, Dürren und Hungersnöten. Dieses Gebiet chronischer Instabilität wird durch konkurrierende Clans und Warlords dominiert und ausgebeutet. Im Süden des Landes befindet sich auch die Hauptstadt Mogadischu, die als Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen Clans, Milizen und Warlords dient. Die Stadt ist zwischen den einzelnen Fraktionen aufgeteilt und ohne jegliche formalen Herrschaftsstrukturen. Aufgrund des Fehlens von Regierungsgewalt, Steuern und wirtschaftspolitischen Auflagen, entwickelte sich Mogadischu aber auch zu dem Marktführer in Sachen Telekommunikation in Ost-Afrika.

Seit Oktober 2002 wurde die nunmehr 16. Friedenskonferenz eingeleitet, unterstützt von der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) und dabei vor allem von Kenia. Auch wenn zum ersten Mal alle wichtigen Akteure in das Transitional Federal Government (TFG) eingebunden sind, gehen die Kämpfe weiter. Die Friedensbemühungen werden dadurch erschwert, dass Somaliland sich an dem Friedensprozess nicht beteiligt und existierende Spannungen zwischen Somaliland und Puntland über ein Grenzgebiet eskalierten.

Charakteristika des Konflikts
Durch die clanbasierte Opposition gegen Siad Barre und durch den späteren Kampf um seine Nachfolge sind eine Vielzahl an Bewegungen entstanden, die im Süden jeweils bestimmte Zonen kontrollieren. Entgegen der allgemeinen Darstellung handelt es sich in den Kampfhandlungen in Somalia jedoch nicht nur um einen Kampf verfeindeter Clangruppen, was auf einen Kampf um politische Machtverteilung und Einfluss hindeuten würde. Im „duty-free-shop“ Somalia geht es vor allem auch um ökonomische Machtausübung – die Rechtlosigkeit wird ausgenutzt, um besonders lukrative Geschäfte mit Waffen, Währungen, Drogen und internationalen Hilfslieferungen zu machen. Mit der Verhinderung des Aufbaus eines zentralen Gewaltmonopols und einer einheitlichen Rechtsordnung sorgen die Warlords durch ihre Milizen dafür, dass Sicherheit ein privates Gut bleibt. Nur mithilfe privater Gewaltanwendung können ihre ökonomischen Vorteile realisiert werden. Die (wieder entdeckte) Piraterie dient in diesem Zusammenhang als lukrative neue Einnahmequelle, um den profitreichen Krieg nicht auszutrocknen.

Diesem fragmentierten Status steht ein Übergangspräsident gegenüber, der keinen nationalen Konsens repräsentiert, sondern als ehemaliger Guerilla-Führer, Warlord und Präsident Puntlands eher den Sieg einer Konfliktpartei. In diesem Sinne wird auch seine Forderung nach einer 20.000 Mann starken Truppe der Afrikanischen Union (AU) als Sicherung seines eigenen Status und nicht des Friedensprozesses in Somalia angesehen.

Fragen an das Colloquium

1. Wie beherrschend ist Somalias Kriegsökonomie? Ist die Piraterie eine alte Strategie, die neuen Zwecken dient?
2. Welche Chancen hat der Präsident der Übergangsregierung, wenn ihm vorgeworfen wird, er sei mehr „warlord“ als „statesman“? Wie sind die „alternativen“ Herrschaftsformen von Somaliland und Puntland zu bewerten?
3. Sollte Somaliland international anerkannt werden? Welche Rolle spielt das Festhalten an der Einheit Somalias?
4. Wie ist das erneute internationale Engagement im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes in Somalia einzuschätzen?

Zur Einführung/Basisinformationen
International Crisis Group


AKUF


BBC Country Profile



News Links
Allafrica.com


Relief Web



Analysen
BICC Paper 39


Foreign Affairs



bearbeitet von Corinna Jentzsch & Martin Ottmann

Donnerstag, November 24, 2005

Policy Empfehlungen Nepal

von Gregor Reisch

Die Entwicklungen der letzten Woche haben ein Window of Opprtunity geöffnet. Laut Presseberichten haben sich die wichtigsten Parlamentsparteien und die Rebellen auf ein 12-Punkte-Programm geeinigt, das den seit 1996 andauernden Konflikt beenden und Nepal wieder auf den Weg in die Demokratie führen könnte.

"The 12-point understanding does not seek an abolition of the monarchy; it envisages, however, a limited monarchy where the king's powers are well-defined and constitutional. It calls for elections for a constituent assembly, prior to which Maoists will desist from violence and place their arms under the supervision of a credible international agency like the UN. The deal involves compromises on both sides — the opposition parties have agreed to the Maoist demand for a constituent assembly, while the Maoists, for the first time, have indicated their willingness to operate within the parameters of a multiparty democracy." >Times of India

Es gibt zusätzliche Indizien dafür, dass es den Rebellen ernst sein könnte. So unterstrich Partei- und Armeeführer Prachanda in einem Radiointerview mit der BBC oben genannte Eckpunkte und unterließ die üblichen verbalen Angriffe auf den König, nannte allerdings als Ziel der Rebellen erneut die Errichtung einer Republik in Nepal. >BBC

Vor dem Hintergrund einer Waffenlieferung von China an die Royal Nepalese Army (RNA), die eine Eskalation befürchten lässt, sollte sich die UNO baldmöglichst anbieten, die angebotene Waffenniederlegung der Maoisten zu überwachen und sich damit über das Statement von Generalsekretär Annan hinaus dezidiert hinter den Redemokratisierungsprozess zu stellen. Weitere Schritte, die geeignet sind, den König an den Verhandlungstisch zu holen oder aber zu drängen, sollten folgen, da der Monarch in der momentanen Situation als Konfliktpartei, die am meisten zu verlieren hat, das entscheidende Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung darstellt.

Um den Konflikt nachhaltig in friedlichere Austragungsformen umzulenken, müssen allerdings weitere Aspekte berücksichtigt werden. Vor allem die Bekämpfung der Korruption und das Erarbeiten einer wirtschaftlichen Perspektive sollten im Vordergrund stehen. Viele Nepalesen fürchten nicht umsonst, dass das Land ohne den Monarchen bzw. die Monarchie vollständig zusammenbrechen würde.

Sonntag, November 20, 2005

Nepal – Vergessener Krieg und Schlachtfeld im „war on terrorism“?

Hintergrund des Konflikts
Die aktuelle Instabilität Nepals geht auf die Spannung zwischen den Polen einer langen monarchischen Tradition und Bestrebungen nach Demokratisierung zurück. Nachdem es 1959/60 ein kurzes Intermezzo eines demokratischen Mehrparteiensystems gab, stieg nach repressiven 1960er bis 1970er Jahren der Widerstand gegen die uneingeschränkte Monarchie im Laufe der 1980er Jahre so an, dass der König 1990 Nepal zu einer konstitutionellen Monarchie mit einem Mehrparteiensystem machte. Politische Stabilität kehrte jedoch nicht ein – 1996 begannen maoistische Rebellen einen Kampf gegen das Regime mit dem Ziel der Umwandlung des Entwicklungslands Nepal in eine Volksrepublik. Die blutigen Auseinadersetzungen zwischen der Armee und den Rebellen versetzten das Land in einen Bürgerkriegszustand.

Nach dem Massaker des Kronprinzes an der königlichen Familie 2001 und der folgenden Inthronisierung von König Gyanendra erklärte die neue Regierung im Juli einen unilateralen Waffenstillstand, der von den Rebellen zunächst angenommen, im November jedoch wieder gebrochen wurde. Im Oktober 2002 löste Gyanendra das Parlament auf; Neuwahlen wurden seitdem aufgrund der andauernden Unruhe mit häufigen Gefechten nicht durchgeführt. 2003 schien eine siebenmonatige Waffenruhe eine neue Möglichkeit für eine Verhandlungslösung zu geben, doch nach Brechung des Waffenstillstands folgten die opferreichsten Monate des Konfliktes (1000 Tote in vier Monaten).

Aktuelle Lage / Konfliktparteien
Eine erneute Zuspitzung der Lage ist seit Anfang 2005 zu beobachten. Am 1. Februar entließ der König den Premierminister und regiert seitdem direkt. Etliche Politiker wurden unter Hausarrest gestellt, verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt und die Zensur verstärkt. Neben der dem König unterstehenden Armee und den maoistischen Aufständischen spielen auch die verstärkt Repressionen ausgesetzten ehemals parlamentarischen Kräfte eine Rolle, die nun teils eine Abdankung des Königs zugunsten einer mehr-Parteien-Regierung fordern. Die Maoisten verfolgen neben Guerilla-artiger Kampfführung einen pragmatischen politischen Kurs, durch den sie sich die realistische Offenhaltung ihrer politischen Ziele erhalten wollen. Insofern schließen einige Beobachter auch eine zeitweise Zusammenarbeit maoistischer und demokratischer Kräfte, die sich wiederum seit 1990 teils in Korruption und intransparenter elitärer Politik verstrickte, gegen den Palast nicht aus.
Die Menschenrechtslage hat sich seit des königlichen Coups verschlechtert: zu den Menschenrechtsverletzungen seitens der Maoisten traten verstärkte Repressionen von staatlicher Seite hinzu. Jüngst wurde ein neuer Code-of-conduct für NGOs erlassen, der diese ihrer Unabhängigkeit berauben und ihre Demokratisierungsstrategien unterminieren soll. Die humanitäre Lage ist durch den Bürgerkrieg ebenfalls verschlechtert worden. Neben den Lasten des Krieges für die nepalesische Bevölkerung leben in Nepal sowohl tibetische, als auch besonders buthanische Flüchtlinge (ca. 100.000 in Flüchtlingslagern im Osten des Landes), die von insbesondere internationaler Hilfe abhängig sind.

Westliche Staaten haben in den vergangenen Jahren zumeist die Palast-treuen Regierungen unterstützt, auch in Form von Waffenlieferungen. Die USA betrachten die Maoisten als Terroristen, die im Rahmen des Kriegs gegen den Terrorismus zu bekämpfen seien; aber auch EU-Staaten unterstützten König Gyanendra, wie etwa an dem Eklat innerhalb der belgischen Regierung 2002 aufgrund einer genehmigten Waffenlieferung an Nepal deutlich wurde (vgl. NZZ v. 28.08.2002: 5). Diplomatisch versuchen die EU und Organisationen der UN, aber in diesem Jahr auch die USA, die Regierung zur Beachtung der Menschenrechte und Wiedereinführung demokratischer Verfahren zu bewegen.
Indien, das auf die Einführung der konstitutionellen Monarchie 1990 mit hingewirkt hatte, ist aufgrund der Lage Nepals vor China an einer Verhandlungslösung interessiert, die den Maoisten keine zu großen Chancen lässt (2001 wurde sogar nach nepalesischer Anfrage militärische Unterstützung gegen die Maoisten nicht ausgeschlossen). Als Nachbar ist Indien regelmäßig im Gespräch mit der nepalesischen Regierung und versucht, auf Demokratisierung zu drängen; dabei besteht besonderes Interesse an Stabiltität, auch aus Angst vor grenzüberschreitenden spill-over-Effekten. China scheint König Gyanendra durchaus zu unterstützen; der König reiste bereits mehrfach nach Hongkong, und verfolgte eine China-freundliche Politik gegenüber Exil-Tibetern (vgl. Asia Times 16.03.2005).

Fragen für das Colloquium
- Wieso bekommt der Konflikt vergleichsweise geringe internationale Aufmerksamkeit? Was könnte zu einer veränderten Wahrnehmung beitragen? Ist die Nichtbeachtung des nepalesischen Konflikts ein Beispiel von vernachlässigter moralischer Pflicht der internationalen Gemeinschaft?
- Welche Entwicklung ist in der Strategie der maoistischen Rebellen zu erwarten? Werden sie sich an Verhandlungen beteiligen und in einen politischen Prozess einbinden lassen oder handelt es sich – wie von den USA wahrgenommen – um eine terroristische Vereinigung, die es militärisch zu besiegen gilt?
- Welche mittel- und langfristigen Strategien sind für eine demokratische Stabilisierung Nepals denkbar? Sind diese Möglichkeiten realistisch?

Zur Einführung
International Crisis Group


AKUF


UN Nepal Information Platform


BBC Country Profile Nepal



News Links
ReliefWeb


Asia Times


ISN Security Watch



bearbeitet von Friedrich Arndt

Samstag, November 19, 2005

Policy Empfehlungen Nahost

von Sarah Riese & Luke Kujawa

Der israelische Rückzug aus dem Gaza-Streifen und die Herausforderungen, vor denen die palästinensische Autonomiebehörde nun steht, bieten in Hinblick auf eine Lösung des Nahostkonflikts sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits besteht die Gefahr, dass ein palästinensischer Staat zu Sharons Konditionen und mit einer handlungsunfähigen Autonomie- (dann Regierungs-) Behörde entsteht, dessen Weg ins Scheitern vorgezeichnet ist. Andererseits bietet diese neue Situation die Möglichkeit, jetzt die Weichen für eine stabile Zwei-Staaten-Lösung zu stellen. Der Erfolg dieses Projekts hängt nicht zuletzt auch vom Engagement Europas und der USA in der Region ab.

Der palästinensische Staat
Hinsichtlich der angekündigten Teilnahme der Hamas an den Wahlen im Januar 2006 ist Pragmatismus gefragt: Trotzdem die Positionen der Hamas schwerlich mit normativen Vorgaben der Demokratieförderung vereinbar sind, sollte sie in ihrer Absicht bestärkt und unterstützt werden (wie seitens der USA bereits geschehen). Die Einbindung der Hamas in die staatlichen Strukturen ist angesichts ihrer breiten Basis in der Bevölkerung der Stabilisierung zuträglich.

Israel
Gerade seitens der USA muss (etwa, indem die militärische Unterstützung zurückgefahren wird) Druck ausgeübt werden, um das Machtungleichgewicht auszubalancieren. Zentrale Punkte hinsichtlich der Politik Israels sind die gezielten Tötungen, der Mauer- und Siedlungsbau sowie die Frage der Wasserversorgung.

Samstag, November 12, 2005

Wilder Westen im Nahen Osten?

Alte Probleme und neue Perspektiven im Konflikt zwischen Israel und Palästina

Entwicklung des Konflikts - Überblick
Während man über die Ursprünge des israelisch-palästinensischen Konflikts unterschiedlicher Ansicht seien kann, so gehen die aktuellen Konfliktlagen maßgeblich auf den Krieg von 1948, in dem große Teile der palästinensischen Bevölkerung aus dem heutigen Gebiet Israels vertrieben wurden, und auf den Sechstagekrieg von 1967 zurück, in dem Israel die seit 1948 von Jordanien respektive Ägypten besetzte Westbank und Ostjerusalem sowie den Gazastreifen besetzte (die ebenfalls besetzte Sinai-Halbinsel wurde 1979 im Zuge eines Friedensvertrages an Ägypten zurückgegeben, die syrischen Golanhöhen sind bis heute unter israelischer Kontrolle). Die Besetzung der Gebiete führte 1987 zur ersten palästinensischen Intifada, der Israel trotz militärischer Überlegenheit nicht Herr werden konnte. Als zudem die arabischen Golfstaaten infolge der palästinensischen Unterstützung für den Irak im Golfkrieg 1991 der PLO ihre Unterstützung entzogen, wurden Verhandlungen möglich. Diese mündeten 1993 im „Oslo-Prozess“, der mit der Einführung der Palästinensischen Autonomiebehörde und dem schrittweisen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten den Weg für einen unabhängigen palästinensischen Staat ebnen sollte. Die Ermordung des israelischen Premierministers Rabin 1995, die Zunahme von Selbstmordattentaten militanter palästinensischer Gruppen und die folgende Wahl des Oslo-Gegners Benjamin Netanjahu zum israelischen Premierminister brachten den Friedensprozess in Stocken. Die seit 1999 amtierende Regierung Barak zog die israelischen Truppen aus dem seit 1982 besetzten Südlibanon ab, konnte jedoch im Friedensprozess mit den Palästinensern keine Erfolge vorweisen. Als die Gespräche von Camp David 2000 scheiterten, entlud sich die Frustration der Palästinenser in der so genannten Zweiten Intifada. Der Hardliner Ariel Sharon gewann 2001 die vorgezogenen Neuwahlen in Israel und setzte fortan auf eine rein militärische Strategie, die unter anderem zur zeitweisen Wiederbesetzung geräumter Gebiete in der Westbank und zur Errichtung eines Trennwalls führten. Erst 2003 lagen mit der von den USA vorgelegten „Road-Map“, einer saudischen Initiative und dem Plan der „Genfer Initiative“ aus dem israelischen und palästinensischen Friedenslager wieder Friedenspläne auf dem Tisch. Der unter Zugzwang stehende Sharon leitete angesichts der fortgesetzten palästinensischen Gewalt die „unilaterale Trennung“ ein, die einerseits die im Bau begriffene Mauer, andererseits den im Frühjahr 2004 angekündigten einseitigen Rückzug aus Gaza beinhaltete. Sowohl Israel wie auch die USA erkannten Arafat nicht mehr als legitimen Gesprächspartner an. An seiner Strategie hielt Sharon trotz des Todes Arafats im November 2004 und der Wahl des moderaten Mahmud Abbas im Januar 2005 fest.

Die aktuellen Entwicklungen
Der Rückzug und die Evakuierung der Siedlungen in Gaza im August 2005 verliefen glimpflicher als erwartet, jedoch steht Sharon innenpolitisch unter massivem Druck. Einerseits findet er für seine Politik in seiner eigenen Partei –dem Likud- keine Mehrheit, andererseits wachsen die Differenzen mit der Arbeitspartei, die seine Politik im Rahmen einer großen Koalition bisher mitgetragen. Die Wahl des Linken Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei macht den Zerfall der Koalition und vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlich.

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat unterdessen mit der Übernahme der Regierungsgewalt im Gazastreifen zu kämpfen, was sich durch die Desintegration der Regierungspartei Fatah und des Sicherheitsapparats schwierig gestaltet. Der Vorlauf zu den anstehenden Parlamentswahlen im Januar 2006 ist vor allem von der Frage bestimmt, wie mit der Absicht der islamistischen Hamas, an den Wahlen teilzunehmen, umzugehen ist. Während Abbas den Willen der Hamas, sich in den politischen Prozess zu integrieren, begrüßt und dafür jüngst auch Rückendeckung aus den USA erhalten hat, droht Israel, die Wahlen im Falle einer Beteiligung der Hamas durch Schließung der Checkpoints zu sabotieren.

Mit der Ernennung Wolfensohns zum Sondergesandten des Nahost-Quartetts (USA, EU, UN und Russland), der Ankündigung einer Reise von US-Außenministerin Rice in die Region, den internationalen Bemühungen um eine schnelle Öffnung des Grenzpostens Rafah zwischen Gaza und Ägypten und Zusagen europäischer Wirtschaftshilfe ist wieder Bewegung in das internationale Engagement im Konflikt gekommen. Gleichzeitig hat Präsident Bush mit seiner Äußerung, er glaube nicht an eine Friedenslösung noch in seiner Amtszeit, Hoffnungen auf eine Umsetzung der Roadmap auf Eis gelegt.
Die Rolle der arabischen Nachbarn Israels ist ambivalent: Ägypten und Jordanien haben Friedensverträge mit Israel geschlossen, mit dem Abzug Israels aus dem Libanon ist ein weiterer Konflikt mit dem arabischen Umfeld entschärft. Auch wenn die Zukunft der Golanhöhen offen ist, so scheint ein weiterer Krieg zwischen Syrien und Israel unwahrscheinlich. Andererseits werden militante und islamistische Gruppen in Palästina weiterhin von arabischer Seite unterstützt und die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten haben zumindest auf rhetorischer Ebene das Klima wieder deutlich verschärft.


Fragen an das Colloquium:


1. Wie ist die unilateralistische Politik Sharons zu bewerten? Wo führt sie hin? Welche Alternativen scheinen möglich?
2. Scheitert der palästinensische Staat, noch bevor es ihn gibt? Ist die Beteiligung der Hamas an den Wahlen eher als Chance oder als Risiko für die inner-palästinensische Stabilität zu werten? Welche Maßnahmen seitens der USA und der EU wären nötig, um einen entstehenden palästinensischen Staat nicht von Vorneherein zum Problemfall werden zu lassen?
3. Generell: Ist die amerikanische „Roadmap to Peace“ überholt? Und: Welche Grenzen sind für eine Zwei-Staaten-Lösung überhaupt noch möglich?

Zur Einführung:
International Crisis Group


Friedensratschlag Uni Kassel


AKUF


Wikipedia: Überblick zu aller Arten Facetten des Konflikts


news, maps, timeline



News Links:
Neue Zürcher Zeitung Dossier


BBC


New York Times


CNN


Aljazeera


Haarezt - linksliberale israelische Tageszeitung


The Jerusalem Post


Globe and Mail


Arabic Media Internet Network


Guardian Special Report


Globe and Mail



Hintergründe

Nachrichten und Hintergründe aus palästinensischer Perspektive, Meinungsumfragen zu den Wahlen, zur Intifada, zu Selbstmordattentaten etc, praktisch alle relevanten Dokumente von UN Resolutionen über Friedenspläne (Geneva, Roadmap und alle anderen…) bis zur Charta der Hamas


Proposals for a Palestinian state


Disengagement Plan: Israeli Ministry of Foreign Affairs (official)


White House Documents


United Nations: Question of Palestine


MidEast Web: Final Status and Peace Plans for Israel and Palestine


palestinian elections


Map of Israeli Disengagement



bearbeitet von Sarah & Luke

Freitag, November 11, 2005

Policy Empfehlungen zur Bewältigung des Kaschmirproblems

von Anja Mößner

Mit dem schweren Erdbeben vom 8. Oktober in Kaschmir ergeben sich neue Handlungsoptionen im militärischen Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Bereits vor dem Beben zeichneten sich positive Signale ab. So wurde 2005 die erste direkte Busverbindung zwischen dem indischen und dem pakistanischen Teil Kaschmirs eingerichtet. Dennoch sind die Fronten im Kern weiter verhärtet, die Argumente ausgetauscht: Auch an der grundsätzlichen Situation hat sich seit der Teilung der Region 1949 nichts geändert. Im Folgenden sollen Empfehlungen gegeben werden, wie durch Handeln Europas bzw. der westlichen Welt im Allgemeinen die aus dem Beben resultierende Dynamik positive Entwicklung genutzt werden kann.

Regionale/transnationale Ebene
Der pakistanische Teil Kaschmirs wird als Raum begrenzter Staatlichkeit von einer Vielzahl regionaler Akteure verschiedenster Couleur beherrscht, darunter auch muslimische Kämpfer aus dem Ausland. Mit Dauer und Ansteigen des Gewaltpotenzials nimmt die Fraktionierung dieser Gruppen stetig zu. Einige regionale Akteure verdienen am Konflikt und/oder sind aus ideologischen Gründen nicht an einer diplomatischen Lösung interessiert. Diese regionalen Gruppen haben zum Teil ein großes Interesse, den Konflikt gerade nach dem Beben weiter eskalieren zu lassen, um einer Annäherung der beiden rivalisierenden Staaten entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite haben die Akteure auf pakistanischer Seite auch weite Teile der Soforthilfemaßnahmen im Katastrophengebiet in Ermangelung staatlicher Handlungsfähigkeit übernommen. Dem pakistanischen Staat einfach nur Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, ist kontraproduktiv, da der Staat mit dem sinnvollen Einsatz der Mittel überfordert wäre und anzunehmen ist, dass das Geld versickert, beispielsweise bei den Gruppen, die sowieso schon Kapital aus dem Gewaltmarkt des Konfliktes und der staatlichen Instabilität schlagen.
In Folge dessen sollten Möglichkeiten geprüft werden, welche staatlichen und nichtstaatlichen Strategien im Krisengebiet zu strukturelle Stabilität führen können. Dies könnte auch durch eine Stärkung der pakistanischen Regierung geschehen, wovon in Anbetracht des Demokratie- und Legitimationsdefizits aber abzusehen ist. Es sollte eine möglichst direkte Form der Hilfe gefunden werden. Ausländische Investoren ins Land zu locken, gestaltet sich allerdings schwierig: Die Region hat außer Textilien kaum interessante Wirtschaftgüter zu bieten. Hier müsste die internationale Gemeinschaft einspringen und Investitionen tätigen, wie etwa für Straßenbau oder Wasserkraftanlagen, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Infrastruktur zu verbessern und die Versorgungsverhältnisse im allgemeinen zu verbessern. Hier bietet sich die EU als Unterstützer an. Sie ist der wichtigste Handelspartner Pakistans und könnte ihre Rolle an dieser Stelle ausbauen. Durchgeführt werden müssen diese Projekte von internationalen Unternehmen in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und unter dem Schutz von privaten Sicherheitsfirmen. Dies könnte die ökonomische Lage der Bevölkerung verbessern und ein psychologisch wichtiges erstes Gefühl von Sicherheit und Stabilität hervorrufen.

Zwischenstaatliche Ebene
Das Beben zwingt Indien und Pakistan zu bilateralen Gesprächen und Verhandlungen. Zudem kommen vermehrt ausländische Hilfskräfte ins Land, die somit auch politisch einen Fuß in der Tür haben. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um einen unabhängigen Dritten als Mediator zwischen den Konfliktparteien einzuschalten. Diese Rolle könnte die EU ausfüllen, die an einer sicherheitspolitischen Stabilität der Region interessiert sein muss, ökonomische Anreizstrukturen bieten kann. Entsprechendes Vertrauen dürfte sich die EU in Pakistan bereits erworben, indem sie als Gegenleistung für den Einsatz im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Zollerleichterungen zugestanden hat. Auf der anderen Seite treffen sich EU und Indien jährlich zu einem gemeinsamen Gipfel. Das jüngste Resultat ist die Erstellung eins „Aktionsplan für eine Strategische Partnerschaft“, womit die Beziehungen auf eine neue Basis gestellt wurden. Die EU steht somit mit beiden Konfliktparteien in regem diplomatischen Austausch und sollte das ihr entgegengebrachte Vertrauen nutzen, um in Dreier-Gespräche einzutreten, wobei sie ihren politischen und ökonomischen Einfluss darauf verwenden sollte, fühlbaren Druck auf die beiden Länder auszuüben.


Internationale Ebene
Der Kaschmirkonflikt findet in der europäischen und der westlichen Politik insgesamt kaum Beachtung. Nach dem Beben sollte aber neben den Sofortmaßnahmen noch ein zweiter tiefergehender Blick dorthin gerichtet werden: Das staatlich geschwächte Pakistan bietet dem internationalen Terrorismus einen fruchtbaren Boden. So übernehmen etwa Koranschulen die Aufgabe des staatlichen Schulsystems. Im Hinblick auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist hier verstärkte dauerhafte Entwicklungshilfe von Nöten, die soziale und wirtschaftliche Strukturen unterstützt bzw. überhaupt erst schafft. Damit soll zum einen die Indoktrinierung ganzer Generationen verhindert werden, zum anderen sollten an die Hilfsmaßnahmen Bedingungen geknüpft werden, die auf eine Demokratisierung des Landes abzielen. Die akute Nothilfe muss dagegen unabhängig von politischen Erwägungen im Interesse der Opfer erfolgen.

Samstag, November 05, 2005

Der Kaschmirkonflikt nach dem Beben

Der Kaschmirkonflikt hat seine Wurzeln in der Aufteilung Britisch-Indiens und im daran anschliessenden ersten indisch-pakistanischen Krieg (1947-1949) über den politischen Status der Region. Während dann im Süden der indische Bundesstaat Jammu & Kashmir entstand, stehen Azad Kashmir und die Northern Areas seither unter pakistanischer Verwaltung. Die Grenzlinie zwischen dem pakistanischen und indischen Teil bildet eine Waffenstillstandslinie („Line of Control“) von etwa 500 km Länge. Der indische Teil macht Zweidrittel der Fläche Kaschmirs aus und ist vorwiegend hinduistisch geprägt, wohingegen der pakistanische Teil eine muslimische Bevölkerungmehrheit aufweist.
Indirekt in den Konflikt verwickelt ist die VR China. Sie bildet einen Verbündeten für Pakistan. So tauschte Pakistan 1963 einen schmalen Himalaya-Streifen gegen chinesische Hilfe beim Bau einer wichtigen Verkehrsader (Karakorum Highways).
Ein eigenständiges Kaschmir lehnen die Konfliktparteien ab. Pakistan strebt danach, alle Muslime in einem pakistanischen Staat zu vereinen und die Bergflüsse für die Bewässerung der pakistanischen Ebene ökonomisch zu nutzen. Indien fürchtet, die Loslösung eines Bundesstaates könnte einen Dominoeffekt auslösen und will sich zudem die strategisch wichtigen Verkehrswege in den Himalaya erhalten.

Das Erdbeben in Kaschmir vom 8. Oktober 2005, bei dem mindestens 73.000 Menschen getötet worden sind und über drei Millionen Obdachlose zu beklagen sind, löste gesteigerte Erwartungen einer baldigen Annäherung zwischen den Konfliktparteien aus. In der deutschen und englischsprachigen Presse wurde eine Bewegung im Kaschmir-Konflikt regelrecht herbeigeschrieben unter Überschriften wie „Indien und Pakistan rücken zusammen“. Mittlerweile zeigt sich, dass die Akteure diese Chance, soweit sie überhaupt gegeben war, nicht nutzten/nutzen. Die Titel lauten nun: „Indien und Pakistan verpassten die Chance für vertrauensbildende Maßnahmen“. Faktisch folgt der Naturkatastrophe nun auch das nächste Desaster: Angesichts fehlender Hilfsgelder und des bevorstehenden Winters drohen die notwendigen Hilfsmaßnahmen der internationalen Gebergemeinschaft eingestellt zu werden. Deutlich wird hier, dass die internationale humanitäre Hilfe angesichts der ohnehin hohen Anzahl von Naturkatastrophen und des hohen Aufwands für multinationale Friedenseinsätze in den Krisengebieten der Gegenwart an ihre Grenzen stößt. Gleichzeitig haben islamistische Rebellengruppen kein Interesse an der internationalen Hilfe und der Öffnung der Waffenstillstandslinie, weil sie dadurch ihre eigene Position bedroht sehen.

Fragen zum Colloquium:
Wie viel „Vertrauen“ ist angesichts des Gleichgewichts des Schreckens zwischen Indien und Pakistan möglich?
Was steht für die Konfliktparteien auf dem Spiel, wenn sie gegenseitige Hilfe nach dem Erdbeben zulassen (etwa durch die Öffnung der Waffenstillstandslinie)?

Zur Einführung:
International Crisis Group


Friedensratschlag Uni Kassel


AKUF



News Links:
Neue Zürcher Zeitung


ISN Security Watch


Irinnews


FAZ Spezial


tagesschau.de Dossier


Deutsche Welle


Karte der Erdbebenregion




bearbeitet von Anja Mößner und Sven Chojnacki

Policy Empfehlungen zur deutschen und europäischen Iranpolitik

von Benjamin Steffen

Nach dem Scheitern der Vermittlungsversuche im Atomstreit muss die deutsche Außenpolitik in Bezug auf den Iran neu ausgerichtet werden. Sie sollte zukünftig mehr von ihren eigenen Interessen geleitet sein und mehr Verständnis für die iranischen Sicherheitsbedenken aufbringen. Nur so kann aus einem Nullensummenspiel der sicherheitspolitischen Eskalation, ein positives Summenspiel werden, indem alle Akteure von einem Mehr an Sicherheit und wirtschaftlicher Wertschöpfung profitieren.

Das iranische Sicherheitsrisiko
Seit den Interventionen in Afghanistan und im Irak sieht sich der Iran von US- gestützten Regimen umkreist. Der amerikanische Präsident George W. Bush hat wiederholt den Iran zu seiner so genannten „Achse des Bösen“ gezählt. Eine konfrontativere amerikanische Politik in Bezug auf Iran erfolgt zurzeit nur deshalb nicht, weil die amerikanische Regierung innenpolitisch aufgrund von Affären und wegen der wachsenden Opferzahlen im Irak unter Druck steht. Öffentlich hat die gegenwärtige amerikanische Administration nie eine klare Strategie für den Iran verfolgt. Zwar wurden einerseits die europäischen Vermittlungsversuche im Atomstreit unterstützt, doch wurde sich andererseits nie klar gegen die Option eines Regimewandels ausgesprochen.
Die iranische Regierung muss deshalb aus realistischer Perspektive zu dem Schluss kommen, dass der Besitz der Atombombe und geeigneter Trägersysteme die einzigen wirksamen Garantien gegen eine US-amerikanische Intervention sind. Die Europäer sollten deshalb die US-amerikanische Regierung in einem ersten Schritt zur Abgabe einer Sicherheitsgarantie für den Iran bewegen.

Die deutschen Interessen
In einem zweiten Schritt sollte auf die zivile Komponente des iranischen Atomprogramms eingegangen werden. Zwar besitzt der Iran riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen, doch fehlen ihm die technologischen Kapazitäten, um diese Vorkommen effizient fördern zu können. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf der schnell wachsenden iranischen Bevölkerung stetig.
Deutschland widerrum leidet unter dem hohen Niveau des Rohölpreises auf den Rohstoffmärkten und unter der Abhängigkeit von politisch instabilen Exploitations- Staaten. Gleichzeitig ist der iranische Markt mit seiner jungen, akademisch gut ausgebildeten Bevölkerung, sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktionsstätte für die deutsche Exportindustrie interessant. Durch eine radikale Ausweitung des Handelsvolumens kann möglichen innen- und außenpolitischen Gründen für eine Radikalisierung des iranischen Regimes entgegengewirkt werden.

Kooperationsmöglichkeiten in Afghanistan

Die politikwissenschaftliche Forschung hat ergeben, dass multilaterale Kooperationsregime positiv auf das Konfliktverhalten beteiligter Staaten wirken. Der Fall Afghanistan bietet die Möglichkeit diese Erkenntnis für die Beziehungen zum Iran nutzbar zu machen.
Der Iran leidet schon seit längerem unter den instabilen Verhältnissen in Afghanistan. Einerseits durch 2 Millionen Flüchtlinge, die sich bereits in Iran aufhalten. Andererseits durch den Drogenschmuggel, der zu einem veritablen Drogenproblem der iranischen Gesellschaft geführt hat. Allerdings ist der Iran ethnisch, kulturell und linguistisch mit den Stammesgebieten im Westen Afghanistans eng verbunden und hat daher theoretisch die Möglichkeit Einfluss auf die dortigen „Warlords“ auszuüben. Es bietet sich daher an, den Iran auch institutionell an der Stabilisierung Afghanistans zu beteiligen. Es könnte ein Sicherheitsrat für Westafghanistan gegründet werden, indem der Iran gleichberechtigt an der Steuerung des afghanischen Stabilisierungsprozesses teilnimmt. Der Iran würde so mit in die Verantwortung genommen und könnte durch seine Verbindungen zu den westafghanischen „Warlords“ zur Sicherheit der ausländischen Truppen ein Stück weit beitragen. Dafür würde er finanziell unterstützt und eine Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge eingeleitet.

Als Nebeneffekt wäre kurzfristig ein institutioneller Rahmen geschaffen worden, indem zukünftige Auseinandersetzungen diskutiert werden könnten. Langfristig würde eine solche Institution zum Verständnis der jeweils handlungsleitenden Normen, Werte und innenpolitischen Probleme der Beteiligten Staaten beitragen.